Daniel Bichsel aus Gurzelen BE«Meine Frau wollte eine anonyme Geburt»

GURZELEN - BE - Daniel Bichsel tut alles, damit er die ersten Schritte, die ersten Worte seiner Tochter miterleben kann. Bis jetzt vergeblich.

  • Publiziert: 28.12.2011, Aktualisiert: 25.04.2012
  • Von Nadine Chaignat
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Daniel Bichsel zeigt ein Bild seiner Tochter. Er hat sie noch nie gesehen.

 (Peter Mosimann)

Vor einem Jahr richtet Daniel Bichsel (36) aus Gurzelen BE voller Vorfreude aufs Baby das Kinderzimmer ein. Seine schwangere Freundin M.* schaut eine TV-Dok über einen Vater, der sein Kind nicht sehen darf. «Ich könnte das nie machen», sagt sie zu Daniel, «wenn ich sehe, wie liebevoll du das Bettchen zusammenschraubst.»

Heute ergeht es Bichsel wie dem Vater im Fernsehen. «Ich habe meine Tochter noch nie gesehen», sagt er. «Wenn ich früher solche Geschichten hörte, dachte ich, da muss es doch eine Lösung geben. Jetzt bin ich selber drin und habe keine Chance.»

Bichsel hat seine Freundin zu jedem Ultraschalltermin begleitet. «Obwohl das Kind ja im Bauch war, habe ich eine Beziehung zu ihm aufgebaut», sagt er. «Wir überlegten, was es gibt. Ich habe mich riesig gefreut.»

Kurz bevor es soweit ist, bricht die Beziehung auseinander. «Sie hat dann eine anonyme Geburt beantragt. Ich versuchte herauszufinden, wo sie ist. Doch im Spital sagten sie immer, es sei niemand da, der so heisst.» Der gelernte Lebensmitteltechnologe erfährt, dass seine Exfreundin «Vater unbekannt» eintragen lassen will. «Ich bin fast durchgedreht. Jemand gab mir den Tipp, ich solle eine vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft machen.» Nur deswegen erhält Bichsel eine Woche, nachdem seine Tochter zur Welt kam, ein Schreiben vom Zivilstandsamt mit allen Details: Wie seine Tochter heisst, um welche Uhrzeit sie geboren wurde. «Es war abartig. Da verreckt man fast, weil man sie nicht sieht, nicht sehen kann!»

Seither versucht er alles. Klärende Gespräche mit der Ex-Freundin waren unmöglich. Die eingesetzte Beiständin schob den Entscheid hinaus. «Am Anfang hiess es, die Tochter sei zu klein, um das Besuchsrecht durchzusetzen. Zeitweise habe ich die Beiständin jeden Tag angerufen.» Seit neun Monaten wird das Besuchsrecht nicht umgesetzt. Die ersten drei Monate waren ganz schlimm. «Jedesmal, wenn ich ein Kind sah, hats mich fast umgetan. Kollegen von mir wurden auch grad Vater. Wir hatten noch gesagt, wir gehen zusammen wägelen.»

Er ist frustriert: «Ich habe alles in Bewegung gesetzt, nichts hat funktioniert! Das kann man sich nicht vorstellen, dass das hier passiert! Es gibt Momente, wo ich denke: Jetzt gehe ich sie einfach holen. Doch dann hätte ich ein noch grösseres Problem.»

Kurz vor Weihnachten teilt ihm die Beiständin mit, sie wolle das Besuchsrecht für einige Monate auf Eis legen. Die Begründung: «Jetzt ist ein Gstürm, darum können wir es nicht einfach so durchsetzen.» Bichsel verlangt diesen Entscheid schriftlich. Nur so kann er Rekurs einlegen.

«Das Schlimme ist, die Zeit vergeht. Ich verpasse, wie sie anfängt zu gehen, wie sie die ersten Worte sagt. Man muss abschlies-sen mit etwas, das man nicht abschliessen kann. Fast wie wenn jemand stirbt.»

Seine einzige Hoffnung ist, dass das Besuchsrecht polizeilich durchgesetzt wird. Denn: «Meine Ex wird nie bereit sein, mich zu unserer Tochter zu lassen.»

 

Daniel Bichsel hat seine Tochter noch nie gesehenGeburtstagsvideo an die unbekannte Tochter

GURZELEN - BE - Heute wird Daniel Bichsels Tochter Jolina ein Jahr alt. Der Vater hat seine Tochter noch nie gesehen.

  • Publiziert: 27.04.2012

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Seine Tochter hat er noch nie gesehen, Daniel Bichsel hat von ihr nur Ultraschall-Bilder

 

Ein Vater, der seine Tochter nicht sehen kann. Noch nie gesehen hat. Das ist in der Schweiz unmöglich – denkt man. Doch genau so geht es Daniel Bichsel (36) aus Gurzelen BE. Seine Tochter Jolina wird heute ein Jahr alt. Ein Jahr ohne Papa. Ein trauriges Jubiläum.

Bichsel will seiner Tochter trotzdem gratulieren. Deshalb hat er ein Video mit seinen Glückwünschen online gestellt. «Mir geht es einzig und alleine um meine Tochter Jolina. Ich will ihr zeigen dass ich da bin und nie aufgegeben habe und hoffe, dass sie es einmal sieht. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke und riesige Schmerzen und Sorgen empfinde.»

Die Beziehung zwischen Bichsel und seiner Exfreundin geht auseinander, bevor Jolina auf der Welt ist. Nur weil er eine vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft machte, erhält er Informationen zu Namen und Geburtsdatum seiner Tochter (Blick.ch berrichte). Sehen kann er sie nicht. Seit einem Jahr wird das Besuchsrecht von der Vormundschaftsbehörde in Oberhofen BE nicht umgesetzt.

Besuchsrecht ist von geschäftlichem Konflikt abhängig 

Bei einer erneuten Anhörung beider Parteien im Januar 2012 wurde beschlossen, das Besuchsrecht weitere drei Monate auf Eis zu legen. Grund: Bichsel machte im Internet negative Äusserungen über den Vater der Ex-Freundin, mit dem er seit langem im Streit liegt.

Die Behörde verlangt, er solle sich zurückhalten, erst dann würde sie sich für sein Besuchsrecht engagieren. Das ist offensichtlich wichtiger, als Bichsels Anspruch auf persönlichen Kontakt mit J.

Die Erklärung der Vormundschaftsbehörde Oberhofen in bestem Beamtendeutsch: «Wir arbeiten intensiv, zielorientiert und mit juristischer Fachbegleitung an der Lösungsfindung für eine Besuchsrechtsregelung.» 

  

Trotz korrektem Verhalten kein Entgegenkommen

Daniel Bichsel hat sich nach eigenen Angaben an die Vorlagen gehalten. Der Termin für das Umsetzen des Besuchsrecht war auf Ende März angesetzt. Noch ist nichts passiert.

Heute hat seine Tochter Geburtstag und er will nur eines: sie in den Armen halten. Weil er das nicht kann, schaltet er ein öffentliches Video: «Meine Exfreundin und ihre Familie lassen mich persönlich und auch durch andere wissen, dass sie meine Tochter bearbeiten werden, damit sie mich nie akzeptiert. Mit meinen Botschaften möchte ich dem entgegenwirken.»

Den nächsten Termin mit der Vormundschaftsbehörde hat Bichsel Ende Mai. Es folgt ein weiterer Monat ohne seine Tochter.