Ein Vater darf nicht Vater sein

FREITAG, 14. JUNI 2013 12:00 UHR


Ein Ärztepaar teilt sich eine 100-Prozent-Stelle. Doch bei der Scheidung beschliesst das Gericht, dass 
der Vater ab sofort voll arbeiten muss und seine Kinder nur noch ab und zu sehen darf.

Die Welt von Reto Meister* ist aus den Fugen: «Ich darf Neugeborene, die nicht atmen, mit dem Rega-
Helikopter ins Spital holen und dafür sorgen, dass sie leben. Aber meine eigene Tochter darf nicht bei mir übernachten, bis sie drei ist.» Meister ist 38, Kinderarzt und hat drei Kinder im Alter von acht, fünf und zweieinhalb Jahren. Seit zwei Jahren lebt er von seiner Frau getrennt – und damit auch von seinen Kindern. Dabei war alles perfekt organisiert: Meister und seine Frau, gleich alt wie er und Ärztin, teilten sich einen 100-Prozent-Job an einem Spital. So konnten sie abwechslungsweise bei den Kindern sein. Dieses Jobmodell war vertraglich auf Jahre hinaus gesichert – war.

Als sich in der Beziehung die Probleme häufen, drängt Reto Meister auf eine Eheberatung. Vor dem zweiten Termin nimmt sich seine Frau kurzerhand einen Anwalt. Nicht irgendeinen, sondern den, der in der Branche als «Scheidungspapst von Bern» gilt. «Als ich eines Abends gegen Mitternacht von der Spätschicht heimkam, lag ein Zettel auf dem Tisch. Frau und Kinder 
waren weg, ebenso die Wertsachen, Dokumente und das Auto. Die Konten ­waren leer. Auf dem Zettel stand, ich solle gar nicht erst versuchen, meine Frau und meine Kinder zu suchen, ich würde dann wieder von ihnen hören.»

Er zahlt 5670 Franken, sie arbeitet nicht:

Drei Wochen vergehen, Meister weiss nicht, wo seine Kinder sind, wie es ihnen geht. Dann erhält er die Forderung seiner Ehefrau: Er soll ihr und den Kindern monatlich 5670 Franken bezahlen, da sie nicht mehr arbeite. Er nimmt sich eine Anwältin, weil er hofft, dass eine Frau eher im Sinn der Kinder argumentiert. Doch vor Gericht hat das wenig Gewicht: «Der Richter sagte: ‹Warum wollen Sie überhaupt ein Trennungsverfahren? Kleine Kinder gehören doch zur Mami.› Und: ‹Ich diskutiere nicht über die Entwicklung eines Kindes, ich kenne mich da zu wenig aus.›»

Oliver Hunziker, Leiter der unabhängigen Fachstelle Verantwortungsvoll erziehende Väter und Mütter (VeV), sagt: «Leider widerspiegelt die Aussage des Richters eine immer noch weit verbreitete Haltung. Kinder gehörten zur Mutter, dieses Bild steckt tief in zu vielen Köpfen. Dabei wird die gesellschaftliche Realität verkannt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 20 Jahre werden nicht beachtet.»

Die ihm zugestandenen Kindertage kann Reto Meister kaum wahrnehmen. Das lässt der 100-Prozent-Schichtbetrieb im Spital nicht zu. «Die Kompensations­tage entsprechen halt nicht der richter­lichen Regelung, und meine Exfrau ist zu Kompromissen nicht bereit.» Als er vorschlägt, sein Pensum auf 70 Prozent zu reduzieren, um das theoretische Besuchsrecht nutzen zu können, wird das vom Gericht abgelehnt – so würde er ja zu wenig verdienen. Deshalb sieht er seine beiden Buben jedes zweite Wochenende – wenn er Glück hat. Das zweieinhalbjährige Mädchen darf gemäss richterlichem Beschluss nicht beim Vater übernachten, bis es drei ist. Während der Schulferien sieht das Mädchen den Vater wochenlang nicht. Ferienkontakte sind nicht vorgesehen. «Oft hören Männer bei der Trennung, sie hätten sich halt vorher mehr einbringen müssen», sagt Oliver Hunziker von der VeV. «Wie man an diesem und an vielen weiteren Beispielen sieht, wird auch ein Vater, der sich immer eingebracht hat, vor Gericht nicht anders behandelt.»

Keine Chance für den Vater

Reto Meister hat keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Obwohl er als Fachmann weiss, wie wichtig die 
frühen Jahre in der Entwicklung von Kindern und ihren Bindungen sind, hat er kaum Chancen, eine tiefe Beziehung zu seinen Sprösslingen aufzubauen. Zudem plagen ihn finan­zielle Sorgen: Seine Eltern bezahlen seine Mietwohnung, bei Freunden hat er Schulden. Die obligatorischen Weiterbildungen als Arzt kann er nicht besuchen. Dafür fehlen ihm das Geld und die notwendigen Dokumente, die seine Frau auch mitgenommen hat. Bei ihr ist auch Meisters Gitarre: «Ich verstehe nicht, warum meine Exfrau mir nicht einmal meine Gitarre geben will, sie kann sie ja nicht spielen.»

Die Exfrau will keine Stellung nehmen

Gegenüber dem Beobachter wollte Meisters Exfrau nicht Stellung nehmen. Ihr Anwalt erklärte, man wolle die Fragen nicht beantworten.

Inzwischen hat der Kinderarzt seine Stelle im Spital aufgegeben. «Ich hatte die Wahl, zu arbeiten und meine drei Kinder praktisch nie zu sehen oder nicht mehr zu arbeiten und wenigstens ein Teilzeitpapi zu sein.» Eine echte Wahl war das nicht. Ohne Einkommen ist er auf die Hilfe an­derer angewiesen. «Natürlich ist das keine Lösung», sagt er und fragt: «Was wäre denn eine gute Lösung?» Zum Online- Beitrag

Heute grosse Sorgerechts-Debatte im NationalratSkistar Thomas Bürgler verlor den Kampf um sein Kind

Thomas Bürgler gehörte zu den besten Skifahrern der Welt. Doch im Rennen um seine Tochter hat er verloren! Darum verfolgt er heute in Bern die Sorgerechtsdebatte.

  • Publiziert: 00.00 Uhr, Aktualisiert: vor 1 Minute
  • Von Marcel W. Perren (Text) und Tom Lüthi (Fotos)

Bürglers Haus in Schwyz ist ein richtiges Kinderparadies – im Garten laden ein Swimmingpool und ein Jacuzzi zum Planschen ein. «Hier war meine sechsjährige Tochter Alexandra immer besonders glücklich», sagt der 52-Jährige mit bedrückter Stimme.

Der Bronzemedaillengewinner der WM-Kombi 1985 ringt mit den Tränen, weil sich sein geliebtes Kind in Zukunft nur noch unregelmässig in dieser Umgebung austoben darf.

Rückblick: 2005 verliebte sich Bürgler in die gebürtige Zürcherin Sandra. 16 Monate später kam Alexandra zur Welt. Die Eltern waren nicht verheiratet.

Kurz nach Alexandras erstem Geburtstag gingen ihre Eltern getrennte Wege. Diese Trennung schien sich anfänglich nicht allzu negativ auf die Tochter auszuwirken.

Bürgler zu BLICK: «Als unverheiratete Eltern haben wir uns nach der Trennung friedlich auf das gemeinsame Sorgerecht und die gemeinsame Betreuung geeinigt.» Doch der Frieden hielt nicht lange. Nachdem Bürglers Verflossene einen finanzkräftigen Liechtensteiner geheiratet hatte, begann sie vehement das alleinige Sorgerecht mit alleiniger Obhut einzufordern.

Frauen, die den Vätern die Kinder entfremden

Der Schwyzer Regierungsrat entschied zugunsten von Bürgler. Am 17. August 2011 brachte der Staatsschreiber folgenden Beschluss zu Papier: «Die Alltagsbetreuung von Alexandra wird dem Vater übertragen. Alexandra hat ihren Aufenthalt am zivilrechtlichen Wohnsitz des Vaters und wird dort eingeschult.»

Doch am 12. März 2012 landete unerfreuliche Post des Schwyzer Verwaltungsgerichts in Bürglers Briefkasten: Das Gericht hat den Regierungsentscheid umgestossen und die alleinige Obhut von Alexandra an die im Ausland lebende Mutter übertragen. Bürgler klagt an: «Der Entscheid gegen mich fiel aufgrund eines äusserst stümperhaften Gutachtens. Wichtigste Kriterien wurden ausser Acht gelassen, mein wichtigster Zeuge wurde beispielsweise überhaupt nicht befragt.»

Der zweifache Weltcupsieger, der heute sein Geld mit demVerkauf von Blockhäusern verdient, zog das Urteil vorBundesgericht. Doch weil sich vor zwei Wochen auch die höchste richterliche Instanz gegen den Urschwyzer entschied, muss er sich nun damit abfinden, dass er seine Alexandra ab 1. Oktober nur noch jedes zweite Wochenende zu Gesicht bekommt. «Dabei möchte die Kleine mit Mama und Papa aufwachsen. Zumal meine Ex seit neustem wieder berufstätig ist, obwohl sie das finanziell gar nicht nötig hat.»

Bürgler weiss, dass er seinen wichtigsten Kampf verloren hat. Dennoch geht er heute ins Bundeshaus: «Im Nationalrat kommt es zu einer Sorgerechts-Debatte, bei der ich dabei sein will. Wenn der vorliegende Gesetzentwurf nicht angepasst wird, werden wir weiterhin Frauen haben, die den Vätern die Kinder entfremden.»

Werden Väter beim Sorgerecht benachteiligt?»

  • 71,3%Ja, vor Gericht gelten immer noch die alten Muster.
  • 11,0%Nein, viele Väter nehmen ihre Pflichten zu wenig wahr.
  • 17,7%Es gibt zu viele Bezahlväter!